Vorwort

VERTIGO

Es ist schon phänomenal in dieser Rauminstallation zu stehen und dabei - scheinbar oder bei längerem Verweilen auch real - jeglichen Bezug zur Wirklichkeit, der Zeit an sich und der Außenwelt zu verlieren. Im gesamten Raum gibt es eigentlich nur drei Orte, die mich realisieren lassen, dass es etwas wie ein Außen gibt: Ein an der Wand befestigtes Telefon (s. Foto), eine Büroecke und eine Terrassentür für eine klaren, durchsichtigen Blick nach draußen auf den Garten. Wären diese Fixpunkte nicht vorhanden, würde die Außenwelt nach kurzer Zeit aufhören für den "Bewohner" zu existieren. Er verfinge sich in den Drehungen und Windungen, der ihn umgebenden "Umwelt".

Axel Arendt
Hamburg, 28.03.2008


Anmerkungen von Field Berlin zu VERTIGO

Schwindelgefühl ist etwas, das jeder schon am eigenen Leib erfahren hat. Sei es nach einer Fahrt im Karussell, nach kindlichen Spielen wie dem Eine-Wiese-Hinunterrollen oder dem So-Schnell-wie-möglich-um-die-eigene-Achse-drehen, nach einer allzu ruckartigen Aufstehbewegung oder dem Erlebnis, sich in allzu große Höhen vorgewagt zu haben. Bei all diesen Ereignissen schwingt mit, dass wir unseren Körper etwas aussetzen, dass die gewohnte Ordnung im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf stellt, oben und unten durcheinander wirbelt und uns in einen anderen Wahrnehmungszustand versetzt. Der Verstand wird ausgehebelt, die Kontrolle wird dem Unbewussten überlassen.

Einsatz findet dieser Umstand oft bei spirituellen Ritualen. Die Sufi zum Beispiel, besser bekannt als Derwische, drehen sich beim sema (Trancetanz) um die eigene Achse und versetzen sich gezielt in einen transzendentalen Zustand.

Schwindel kann jedoch neben der lustvollen und der spirituellen auch eine beängstigende Erfahrung sein, wenn der Kontrollverlust nicht intendiert, sondern aufgrund von physischen oder psychischen Störungen auftritt. Verschiedene Bereiche der Medizin forschen daher über den Vertigo (lat. Schwindel, gleichzeitig der medizinische Fachterminus). So kommt es nicht selten vor, dass ein Schwindelpatient einen HNO-Arzt, einen Neurologen, Orthopäden und einen Psychiater konsultieren muss, um eine endgültige Diagnose zu erhalten.

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Für das Projekt VERTIGO hat Christl Mudrak in ihrer ersten Einzelausstellung eine orts-spezifische, installative Malerei geschaffen.
Der gesamte Ausstellungsfläche des Projektraumes wurde mit Papierbahnen verkleidet. Auf diese Weise erschafft die Künstlerin ein amorphes Gebilde, das sie mit raumgreifenden Spiralen bemalt. Die mit Pinsel und schwarzer Farbe aufgebrachten Spiralen irritieren das Raum- und Gleichgewichtsgefühl des Betrachters.

Der Raum als eine fassbare Form, die Orientierung gewährt, löst sich auf. Über die visuelle Wahrnehmung wird eine körperliche Reaktion hervorgerufen, die sich unweigerlich auf den Gefühlszustand des Betrachters auswirkt und auf physikalischen Gesetzen sowie physiologischen Mechanismen beruht.

Man könnte von einem Affekte auslösenden Raum sprechen. Ein Rückkopplungseffekt wird ausgelöst und ein eindeutiges Urteil über Subjekt und Objekt, Innen- und Außenraum, Aktivität und Passivität, wahr oder falsch bleibt verwehrt. Wie im Traum wähnt sich der Betrachter in einem Raum - in dem manch Unmögliches möglich erscheint - der ganz neue Denkräume eröffnet.

(Quelle: Field Berlin, www.field-berlin.com)

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Was ist Vertigo?

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In der Medizin ist Vertigo ein Symptom, dessen Ursachen vielfältig sind. Eine Diagnose bedarf oft der Konsultation verschiedener Experten. Was da eigentlich mit dem Körper passiert, hängt von der Art des Schwindels ab. Was löst das Schwindelgefühl aus? Ist die Ursache rein körperlicher, oder psychischer Natur? Und wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit Zone von Christl Mudrak?

Nun begegnet uns der Vertigo nicht ausschließlich in der Medizin, sondern gehäuft im Alltag durch eine immer rasanter beschleunigte Kommunikations- und Unterhaltungsindustrie. Dem Schwindel wird eine ambivalente Haltung entgegengebracht, er kann angenehme wie unangenehme Gefühle evozieren.
Aber worin liegt der große Reiz am Rausch bzw. die Angst vor dem Taumel?

Kultur- und kunsthistorisch liefert die Betrachtung von Schwindelerfahrungen eine Fülle von Referenzen, sei es bei seiner Nutzbarmachung in rituellen Tänzen, um sich in einen transzendentalen Zustand zu versetzen, der expliziten Auseinandersetzung mit Spiralen beispielsweise bei Marcel Duchamp und in der Op-Art, oder um auf die vielleicht erste Assoziation mit dem Wort Vertigo zu verweisen, den Filmklassiker gleichen Titels, in dem die Verbindung zwischen dem körperlichen Phänomen und dem betrügerischen Schwindel ineinander greifen.

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(Quelle: Field Berlin, www.field-berlin.com)

Angaben zum Autor:

Axel Arendt, Germany

E-Mail: postmaster@quick-pics.de

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